- Nibelungenstrophe
- Nibelungenstrophe,Strophenform des Nibelungenliedes. Sie besteht aus vier paarweise reimenden Langzeilen; die Anverse haben vier Hebungen, wobei die vierte Hebung v. a. auf eine nebentonige Silbe fällt (klingende Kadenz), nur gelegentlich auf eine betonte Silbe (volle Kadenz). Die ersten drei Abverse haben drei Hebungen, der letzte Abvers dagegen vier (»betonter Strophenschluss«), ganz überwiegend mit Ausgang auf betonter Silbe. Beispiel:Díu vil míchel êrè | was dâ gelégen tôt.die líute héten állè | jâmer únde nôt.mit léide wás veréndèt | des kǘniges hôhgezît,als íe diu líebe léidè | z'áller júngéste gît.Auftakt und Versfüllung sind relativ frei; neben der vorherrschenden Füllung der Senkung mit einer Silbe kommt zweisilbige Senkungsfüllung ebenso vor wie Senkungsausfall (einsilbiger Takt oder beschwerte Hebung). Dies ist verhältnismäßig häufig im zweiten Takt des letzten Abverses als Mittel zur Hervorhebung des Strophenschlusses der Fall. Zusätzlicher Reim zwischen den Anversen (Zäsurreim), z. B. in der ersten Strophe, ist nicht planmäßig durchgeführt. Die syntaktische Gliederung deckt sich öfter nicht mit der metrischen, sondern überspielt diese durch Verwendung von Enjambement (Zeilensprung, Bogen- oder Hakenstil), gelegentlich auch über die Strophengrenze hinaus (Strophenenjambement, Strophensprung). - Nibelungenstrophen finden sich auch außerhalb des Nibelungenliedes, so in der Lyrik des Kürenbergers. Ist der Bau der vierten Langzeile den ersten drei gleich (d. h. kein betonter Strophenschluss), handelt es sich um den nach dem »Jüngeren Hildebrandslied« benannten »Hildebrandston«. Er ist in der Heldendichtung wie in geistlichen Lieddichtungen weit verbreitet. Diese Form wurde auch in der Neuzeit gepflegt, z. B. im Kirchen- und Volkslied sowie in romantischen Balladen, hier u. a. bei L. Uhland.
Universal-Lexikon. 2012.